MKO wird Ehrenmitglied der Karl Amadeus Hartmann-Gesellschaft e. V.
In Anerkennung seiner herausragenden Verdienste um das Werk Karl Amadeus Hartmanns, des bedeutendsten deutschsprachigen Symphonikers des 20. Jahrhunderts und Gründers der musica viva-Konzertreihe, beschlossen die Mitglieder der Karl Amadeus Hartmann-Gesellschaft e. V. einstimmig, dem
Münchener Kammerorchester die Ehrenmitgliedschaft der Karl Amadeus Hartmann-Gesellschaft im Jahr 2018 zu verleihen. Im Rahmen einer feierlichen Stunde mit geladenen Gästen wird an einem noch festzulegenden Datum der Geschäftsführer, Direktor und Künstlerische Leiter Andreas Hérm Baumgartner dem Orchester die Urkunde sowie eine faksimilierte Autografenseite aus Hartmanns letztem Werk Gesangsszene überreichen.
Mit dem Münchener Kammerorchester beschäftigt sich eines der internationalen Spitzenensembles langjährig und in besonders intensiver Weise mit dem Werk Karl Amadeus Hartmanns und dessen musikalischer wie geistiger Botschaft einer grenzenlosen und von allen politischen Systemen unabhängigen Humanität.
„Er war ein großer deutscher Komponist. Er bildet die Brücke zwischen Gustav Mahler und Wolfgang Rihm, zwischen Alban Berg und Hans Werner Henze. Ohne ihn wäre die Entwicklung vollkommen anders verlaufen. Er hat in den dunkelsten Jahren unserer Geschichte die Werte der großen deutschen Musiktradition hochgehalten und so für die Nachkommen bewahrt. Darum ist er mir auch als Mensch ein Vorbild.“ So formulierte es der im Jahr 2017 zum Ehrenmitglied ernannte Dirigent Ingo Metzmacher in seinem Buch „Keine Angst vor neuen Tönen. Eine Reise in die Welt der Musik“.
Insbesondere mit der bei ECM erschienenen Einspielung der 4. Symphonie, des Kammerkonzertes für Klarinette und Streichorchester sowie des Violinkonzertes „Concerto funebre“ mit Isabelle Faust, Paul Meyer unter der Leitung von Christoph Poppen, setzte das Münchener Kammerorchester internationale Maßstäbe. Über diese CD schrieb Rob Cowan in der englischsprachigen Gramophone: „All three performances do Hartmann proud. Isabelle Faust’s eloquent playing of the Concerto funebre draws maximum effect from extremes in mood and temperature. … With fine sound and imaginative programming, ECM has here given us the ideal Hartmann primer. Let’s hope that their collaboration with the Munich Chamber Orchestra will allow for further forays into the output of this great but still sadly unsung Munich master.“ Die Aufnahme entwickelte sich zu einer der meistverkauften Einspielungen des Orchesters und wurde unter anderem durch den Cannes Classical Award 2002 ausgezeichnet.
Karl Amadeus Hartmann als ihren „Hauskomponisten“ betrachtend, begann die konstante Beschäftigung mit dem OEuvre bereits unter Hans Stadlmaier, ehe sie sich insbesondere unter der Leitung der Chefdirigenten Christoph Poppen, Alexander Liebreich und Clemens Schuldt stetig intensivierte und zu ungeahnten Höhen an inhaltlicher Durchdringung, Intensität des Ausdrucks und technischer Perfektion aufschwang. Durch zahlreiche Konzerte im In- und Ausland, zusammen mit erausragenden Solisten und Dirigenten, bestätigte das Orchester sein unermüdliches Engagement für das Werk Karl Amadeus Hartmanns und leistete auf diese Weise einen entscheidenden Beitrag zur internationalen Renaissance des Komponisten.
Dem Münchener Kammerorchester gelingt es stets, seine Interpretationen der Werke Hartmanns zu einem fesselnden und erschütternden Ereignis werden zu lassen, das die seismographischen Fähigkeiten des Zeitdiagnostikers Karl Amadeus Hartmann in den Mittelpunkt rückt. In kongenialer Weise versteht es das Orchester, höchste Expressivität und Kraftentfaltung mit klanglicher Transparenz und Empfindsamkeit in Einklang zu bringen.
Neben den Dirigenten Kirill Petrenko, Fabio Luisi und Ingo Metzmacher, sowie dem verstorbenen Komponisten und Dirigenten Pierre Boulez, ist das Münchener Kammerorchester erst das fünfte Ehrenmitglied und die erste Institution überhaupt. Zu den Mitgliedern der Karl Amadeus Hartmann-Gesellschaft zählen neben Musikinteressierten und Wissenschaftlern vor allem auch Persönlichkeiten aus dem nationalen wie internationalen Kulturleben, darunter u. a. Helmut Lachenmann, Wolfgang Rihm, Jörg Widmann, Udo Zimmermann, Friedrich Cerha, Adriana Hölszky, Wilfried Hiller, Marek Janowski, James Conlon, Thomas Zehetmair, Ingolf Turban und Christoph Poppen.
Karl Amadeus Hartmann-Gesellschaft e. V. / Hartmann-Center
Zentrale Aufgabe der Karl Amadeus Hartmann-Gesellschaft ist es, die Verbreitung und das Verständnis der Werke des Komponisten zu fördern und seiner Person wie seinem Schaffen ein Forum zu sein. Dies geschieht zum einen durch Sammeln und Archivieren des Materials von und über Hartmann, die wissenschaftliche
Erschließung seines Schaffens und seiner Biographie sowie die Bereitstellung des Archivguts für Interpreten, Wissenschaftler und Interessierte. Daneben gilt es auch der Interpretation seiner Werke neue Impulse zu geben und als Bindeglied zwischen Orchestern, Festivals, Opernhäusern und Interpreten zu fungieren.
Die Förderung der Auseinandersetzung mit Leben und Werk Karl Amadeus Hartmanns geschieht unter besonderer Berücksichtigung seiner von Humanismus getragenen antifaschistischen Grundhaltung, seiner Rolle als Innerer Emigrant, seiner Verweigerung jeglicher Vereinnahmung, seines offenen Widerstandes durch
Werk, Wort und Tat in den Jahren des Nationalsozialismus, sowie seiner Rolle als Schöpfer, Initiator, Gründer, Gestalter und Spiritus Rector der einzigartigen, in vielerlei Hinsicht maßstabsetzenden musica viva-Konzertreihe des Bayerischen Rundfunks. Sie gilt bis heute weltweit als die erfolgreichste Konzertreihe mit
zeitgenössischer Musik. Dabei werden nicht nur wissenschaftliche Arbeiten und Publikationen betreut und herausgegeben, sondern auch neue Wege der Vermittlung (education-Projekte) beschritten.
Aufgaben
In besonderer Weise fühlen wir uns dem Auftrag und der Intention Hartmanns verpflichtet, junge hochtalentierte Komponisten und Interpreten zu fördern und sie an die humanistische und gesellschaftspolitische Dimension seiner Werke heranzuführen. Im Rahmen unserer im Jahr 2016 begonnen Veranstaltungsreihe hartmann21 soll diesem Ansinnen Rechnung getragen werden. Daneben beschäftigten sich renommierte Instrumentalisten und Komponisten wie Thomas Zehetmair (Violine), Ruth Kilius (Viola), Alexander Lonquich (Piano) sowie Thomas Larcher, Peter Eötvös, Helmut Lachenmann und Mark Andre in singulär „komponierten“ Programmen mit dem Werk Hartmanns. Mit Beginn des Jahres 2018 trat erstmals das eigene ensemble hartmann21 in Erscheinung. Zum anderen versteht sich die Hartmann-Gesellschaft auch als Impulsgeber für nationale wie internationale Aufführungen sowie als Schnittstelle und Verbindungsglied zwischen den Leitungsebenen der Orchester/Festivals und den Interpreten. Sie tritt sowohl als Veranstalter als auch als Co-Veranstalter von Konzerten, Vorträgen, Symposien und Ausstellungen national wie international in
Erscheinung. Insbesondere dem von Andreas Hérm Baumgartner als Künstlerischen Leiter verantworteten, und allerorten Aufmerksamkeit erregenden internationalen Festival „Karl-Amadeus-Hartmann-Jahr 2013“ (Saisons 2012/13 und 2013/14) gelang es, im Jubiläumsjahr (50. Todestag) zu Ehren des bedeutendsten deutschsprachigen Symphonikers des 20. Jahrhunderts und Gründers der musica viva-Konzertreihe des Bayerischer Rundfunks mit weltweit über 160 Konzerten, Ausstellungen, Podiumsdiskussionen, Symposien neue Impulse in der Auseinandersetzung mit dem OEuvre des Komponisten zu setzen. Von New York bis Tokio, von London über Paris, München bis Helsinki konnten dabei künstlerisch hochrangige Klangkörper und Interpreten von Weltrang mit eingebunden werden. Stellvertretend seien das London Philharmonic Orchestra, Symphonieorchester des Bayerischen Rundfunks, Orchestre de Paris, Philharmonia Zürich, Rundfunkorchester
Berlin, American Symphony Orchestra, BBC Symphony Orchestra, Netherlands Radio Philharmonic Orchestra sowie Patricia Kopatchinskaja, Isabelle Faust, Thomas Zehetmair, Reto Bieri, Matthias Goerne, Juliane Banse, Kent Nagano, Fabio Luisi, Markus Stenz, Ingo Metzmacher, James Gaffigan und Vladimir Jurowski genannt.
Karl Amadeus Hartmann (1905 – 1963)
Karl Amadeus Hartmann ist, neben Schostakowitsch, der wohl wirkmächtigste Symphoniker in der Musikgeschichte des 20. Jahrhunderts. Der Schweizer Komponist Rolf Liebermann konstatierte 1995: „Ich halte Karl Amadeus Hartmann für den bedeutendsten Symphoniker seit Gustav Mahler. Niemand in diesem Jahrhundert kann sich an Tiefe der Empfindung, an Ehrlichkeit des Ausdrucks und an Reichtum der Einfälle mit ihm vergleichen.“ In der Musikwelt wird Hartmann aber auch als der deutsche antifaschistische Komponist schlechthin wahrgenommen. Er verweigerte er sich rigoros jeglicher Vereinnahmung durch das totalitäre Regime in Deutschland und zog sich dort in die „innere Emigration“ zurück, während er gleichzeitig im Ausland umso beredter zu sprechen versuchte und tatsächlich als Symbol für ein „anderes Deutschland“ – das Kultur und Humanismus gegen Barbarei setzte – wahrgenommen wurde. Dabei verwendete er zum einen Musik- und Textfragmente verfemter und verbotener Künstler; zum anderen griff Hartmann auf jüdische Melodien zurück, die sich als Klage- und Anklagechiffren erheben.
Hans Werner Henze drückte dies in einer postumen Laudatio 1980 mit folgenden Worten aus:
„Die Niederschrift seiner Opera hatte für Hartmann etwas von subversiven Handlungen, wie das Verfassen von Flugblättern oder das Abhalten unerlaubter Versammlungen. Es ist ja so, dass diese Werke einen deutlich vernehmbaren Ton enthalten, der sich in allem (…) von dem unterscheidet, was damals öffentlich aufgeführt wurde. Dieser Ton ist antifaschistisch und humanitär, auch humanistisch und weltoffen. (…) Die Musik Hartmanns wird von der Solidarität mit den unter dem nazifaschistischen Terror leidenden Völkern bestimmt und von der Auffassung, dass Musik moralische Aufgaben hat und dass neue Musik erfunden wird durch gesellschaftliche Forderungen an sie, fortschrittliche Forderungen und nicht restaurativ-affirmative.“